„Enshittification“ ist ein von Cory Doctorow geprägter Neologismus, der den Prozess beschreibt, durch den digitale Plattformen und Dienste im Laufe der Zeit immer schlechter werden, insbesondere im Hinblick auf die Nutzererfahrung und den Mehrwert für die Nutzer. Der Begriff hat in der Technologie- und Medienlandschaft Aufmerksamkeit erregt, da er die Tendenz vieler Plattformen aufzeigt, ihre Dienste zu monetarisieren und zu optimieren, oft auf Kosten der Benutzerfreundlichkeit und der ursprünglichen Werte, die die Nutzer angezogen haben.
Kernpunkte von „Enshittification“:
- Initiale Attraktivität:
- Plattformen starten oft mit dem Ziel, möglichst viele Nutzer zu gewinnen. Dies geschieht durch eine starke Nutzererfahrung, kostenlosen oder kostengünstigen Zugang und eine benutzerfreundliche Umgebung.
- Phase der Monetarisierung:
- Sobald eine Plattform eine kritische Masse an Nutzern erreicht hat, verlagert sich der Fokus auf die Monetarisierung. Dies kann durch Werbung, Abonnements oder den Verkauf von Nutzerdaten geschehen.
- Funktionen und Dienste, die ursprünglich kostenlos oder von hoher Qualität waren, können kostenpflichtig oder weniger zugänglich werden.
- Verschlechterung der Nutzererfahrung:
- Die Plattform beginnt, die Nutzererfahrung zu verschlechtern, indem sie mehr Werbung einblendet, die Daten der Nutzer aggressiver nutzt oder wesentliche Funktionen hinter Paywalls versteckt.
- Algorithmen und Inhalte werden optimiert, um die Verweildauer der Nutzer zu maximieren, oft auf Kosten der Qualität und Relevanz der bereitgestellten Informationen.
- Machtkonzentration:
- Große Plattformen neigen dazu, Marktmacht zu konzentrieren und kleinere Konkurrenten auszuschalten oder aufzukaufen. Dies reduziert den Wettbewerb und lässt den Nutzern weniger Alternativen.
Beispiele:
- Facebook: Begann als werbefreies soziales Netzwerk, entwickelte sich aber zu einer stark werbegetriebenen Plattform, die Nutzerinteraktionen und -daten intensiv monetarisiert.
- Google: Von einer reinen Suchmaschine mit relevanten Ergebnissen zu einem Ökosystem mit stark integrierter Werbung und Diensten, die häufig die eigenen Produkte bevorzugen und die Suchergebnisse auf den jeweiligen Nutzer zuschneiden.
- Amazon: Ursprünglich ein Buchhändler mit benutzerfreundlichen Empfehlungen und niedrigeren Preisen, hat sich Amazon zu einem Marktplatz entwickelt, auf dem eigene Produkte bevorzugt und Gebühren für Drittanbieter erhöht werden. Affiliate-Partner wurden dazu animiert mit enormem Aufwand die Bewerbung von Amazon-Produkten in eigener Verantwortung zu übernehmen, um dann durch laufende Änderung diverser Auflagen oder immer unattraktiver werdende Konditionen zu wenig für Ihren Aufwand belohnt zu werden.
Fazit:
„Enshittification“ beschreibt einen Zyklus, der bei vielen digitalen Plattformen und Diensten zu beobachten ist. Er beleuchtet das Spannungsfeld zwischen Wachstum und Monetarisierung einer Plattform und der Qualität der Nutzererfahrung. Diese Dynamik führt häufig dazu, dass Plattformen, die einst wegen ihrer Benutzerfreundlichkeit und ihres Wertes beliebt waren, im Laufe der Zeit für Nutzer weniger attraktiv werden, wenn wirtschaftliche Interessen überwiegen.
„Enshittification“ tritt auch im Zusammenhang mit Influencern und sozialen Medien auf.
Hier sind einige Beispiele, wie diese Dynamik speziell in der Welt der Influencer-Marketing und Content-Erstellung sichtbar wird:
1. Instagram:
- Anfängliche Phase: Instagram begann als eine Plattform, die es Nutzern ermöglichte, Bilder und Videos zu teilen, ohne viele Einschränkungen oder Werbung. Der Algorithmus zeigte Inhalte chronologisch, was Influencern eine organische Reichweite und Interaktion mit ihren Followern ermöglichte.
- Monetarisierung und Algorithmusänderungen: Mit der Einführung von Werbung und einem Algorithmus, der Beiträge nach Engagement priorisiert, wurde es schwieriger für Influencer, ihre Inhalte ohne bezahlte Werbung an ihre Follower zu bringen. Dies führte dazu, dass Influencer zunehmend gezwungen waren, ihre Inhalte zu „optimieren“ (mehr Klicks, Likes, Shares), was oft auf Kosten authentischer Inhalte ging.
- Nutzerfrustration: Viele Nutzer beklagen sich, dass sie jetzt mehr Werbung und weniger Inhalte von Personen sehen, denen sie tatsächlich folgen wollen. Dies hat dazu geführt, dass einige Nutzer das Interesse an der Plattform verlieren.
2. YouTube:
- Anfängliche Phase: YouTube war einst eine Plattform, auf der Kreative und Influencer ihre Videos teilen und eine organische Fangemeinde aufbauen konnten. Monetarisierung war optional, und Inhalte wurden hauptsächlich basierend auf Abonnements und Suchanfragen angezeigt.
- Monetarisierung und Algorithmusänderungen: YouTube begann, seine Monetarisierung durch Werbung massiv auszuweiten, was dazu führte, dass Inhalte, die besser für Werbepartner geeignet waren, bevorzugt wurden. Dies führte zur sogenannten „Adpocalypse“, bei der viele kleine und mittlere Creator ihre Einnahmequellen verloren oder stark eingeschränkt sahen, weil ihre Inhalte als „nicht werbefreundlich“ eingestuft wurden.
- Inhaltsanpassung und Frustration: Influencer fühlten sich gezwungen, Inhalte zu erstellen, die dem Algorithmus und den Werbepartnern gefallen, oft auf Kosten ihrer kreativen Freiheit. Dies führte zu einer Flut von ähnlichen, trendgesteuerten Inhalten und einer Verringerung der Vielfalt auf der Plattform.
3. TikTok:
- Anfängliche Phase: TikTok erlangte Popularität, indem es Nutzern ermöglichte, kurze, kreative Videos zu erstellen, die schnell viral gehen konnten. Der „For You“-Algorithmus förderte Inhalte basierend auf Engagement, was neuen Influencern ermöglichte, schnell Follower zu gewinnen.
- Monetarisierung und Algorithmusänderungen: Mit dem Wachstum der Plattform begann TikTok, Werbung stärker zu integrieren und die Sichtbarkeit von Inhalten zu steuern. Influencer, die nicht genug Engagement oder Views erzielen, sehen oft einen drastischen Rückgang ihrer Reichweite.
- Überflutung von Inhalten: Da mehr Nutzer und Marken versuchen, den Algorithmus zu „besiegen“, werden die Feeds der Nutzer oft mit trendgesteuerten Inhalten überflutet, was die Vielfalt und Kreativität auf der Plattform einschränkt.
4. Facebook:
- Anfängliche Phase: Facebook bot Influencern und Marken die Möglichkeit, ihre Inhalte organisch mit einer großen Anhängerschaft zu teilen. Der Newsfeed zeigte Beiträge chronologisch, und Influencer konnten leicht mit ihren Followern interagieren.
- Algorithmusänderungen und Pay-to-Play: Mit den zunehmenden Algorithmusänderungen wurde die organische Reichweite drastisch eingeschränkt, und Influencer wurden gezwungen, für Anzeigen zu zahlen, um ihre Beiträge einer größeren Zielgruppe zu zeigen. Dies machte es schwieriger, ohne Budget eine Fangemeinde aufzubauen oder zu halten.
- Überkommerzialisierung: Der starke Fokus auf bezahlte Werbung und gesponserte Inhalte führte dazu, dass die Plattform von kommerziellen Beiträgen überflutet wurde, was viele Nutzer ermüdete und zu einem Rückgang der aktiven Nutzung führte.
Fazit:
In all diesen Fällen führt die „Enshittification“ dazu, dass Plattformen, die einst Kreativität und organisches Wachstum förderten, zunehmend auf Monetarisierung und algorithmische Kontrolle setzen. Dies hat direkte Auswirkungen auf Influencer, die sich anpassen müssen, um relevant zu bleiben, oft auf Kosten der Authentizität und der Beziehung zu ihrer Community. Es führt auch dazu, dass Nutzer frustriert sind und das Vertrauen in die Plattformen und die Inhalte, die ihnen gezeigt werden, verlieren.